Unsere Fraktion hat den Doppelhaushalt in der endgültigen Fassung abgelehnt. Unser Fraktionsvorsitzender Sascha Fiek erklärte in seiner Rede, dass die von der Verwaltung vorgelegte Fassung zustimmungsfähig gewesen wäre. Zahlreiche Sonderbelastungen, die durch andere Fraktionen in den vergangenen Wochen in den Haushalt gepackt wurden, machen diesen Haushalt allerdings zu einem Risiko für die Stadt Freiburg und für die Handlungsfähigkeit zukünftiger Generation.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Dezernent*innen,
liebe Kolleg*innen,

wir leben – das ist heute schon mehrfach angeklungen – in wahrlich turbulenten Zeiten, in denen Ungewissheit und Unbeständigkeit zu den Begleitern des Alltags geworden sind. Da sind natürlich zunächst die akuten Herausforderungen der Pandemie, die uns einen schwierigen Spagat zwischen dem Schutz vor Leid und Tod auf der einen und der Einschränkung grundlegender Freiheiten auf der anderen Seite abverlangen. Rund 150 Freiburgerinnen und Freiburger haben wir an das Virus verloren. Soziales Leben, Kultur, Sport – all das ist massiv beeinträchtigt und ruft bei vielen Frust, Angst und Beklommenheit hervor. Gleichwohl besteht Hoffnung, dass wir dem kleinen unsichtbaren Feind nicht wie in der Vergangenheit schutzlos ausgeliefert sind, sondern dass eine lokale wie globale Kraftanstrengung Wirkung zeigen wird.

Aber es ist nicht nur die Pandemie. Die Menschen in unserer Stadt haben auch Angst vor den Folgen des Klimawandels, sie sorgen sich um ihre wirtschaftliche Zukunft oder um eine sich rasant wandelnde Arbeitswelt, in der schnell die Disruption Oberhand über die Transformation gewinnen kann.

Es gibt aber auch die positiven Botschaften in der Pandemie. Die Rathausspitze und kompetente Amtsleitungen, allen voran natürlich Frank Uekermann, haben vieles richtig gemacht – sie haben geackert, haben neue Ideen entwickelt und die Herausforderungen der Pandemie beherzt angepackt. Freiburg ist bislang – toi toi toi – verhältnismäßig gut durch die Coronazeit gekommen. Immer nur zu nörgeln und eine Bestellung von Eieruhren bei Amazon oder die Zusammensetzung des Krisenstabs stärker in den Fokus zu rücken als die eigentliche Arbeit und all die Leistungen, ist hingegen unverständlich.

Die Verwaltung hat auch bei der Aufstellung des Haushalts viel dazugelernt. Martin Horn und Stefan Breiter wollten sich nicht ein zweites Mal vom Gemeinderat überrumpeln lassen. Sie haben einen den Umständen angemessenen Haushaltsentwurf vorgelegt und diesmal das strukturelle Defizit klar und deutlich beim Namen genannt. Sie waren auch bereit, eine Giftliste einzubringen, um den Ernst der Lage zu verdeutlichen. 

Das alles ficht jedoch die Mehrheit auf der linken Seite des Hauses nicht an – sie verharrt lieber im Zustand der Verdrängung und behandelt den Haushalt weiterhin wie einen Pott Spielgeld am Monopoly-Tisch.

Zurück zum Erfreulichen: Die Kriminalität sinkt auf breiter Front, die Arbeitslosigkeit bleibt niedrig, die Zahl der Hilfebedürftigen geht zurück, ein neuer Stadtteil nimmt Gestalt an und die Feinde der Demokratie quäken zwar laut, bleiben aber darüber hinaus chancenlos in unserer Stadt.

Auch haben wir verstanden, dass Kultur, Sport, Wissenschaft und Wirtschaft gerade in Krisenzeiten tragende Säulen sind, auf die wir bauen müssen. Neben vielen Hilfen für Kulturschaffende, die wir unterstützt haben, sind wir als Fraktion froh, dass es uns gelungen ist, ein Spotlight auf die Sorgen und Nöte der Innenstadt und des Handels samt Messen und Märkten zu richten und einen Wirtschaftsausschuss einzusetzen, um wieder mehr Verständnis und Dialog zwischen Akteuren der Wirtschaft und der Politik zu erreichen.  

Ebenso nimmt das Megathema Digitalisierung langsam Fahrt auf. Dass ausgerechnet die Jupi Fraktion in der 2. Lesung an vorderster Front dabei war als es um die Kürzungen in Digitalisierungsprojekte ging, ist erstaunlich. Denn wenn uns die Pandemie eines gelehrt hat, dann doch, dass Deutschland in Digitalisierungsfragen geradezu ein Entwicklungsland ist und wir dringend den Anschluss an andere Teile der Welt wiederherstellen müssen. Das gilt vor allem für die Digitalisierung der Schulen, bei der wir ambitionierter werden müssen. Vor 2 Jahren hieß es, man werde 10 Jahre für alle Schulen brauchen, was damals schon zu lang war. In der aktuellen Vorlage sind es nun gar 12 Jahre – das ist nicht hinnehmbar. Hier geht es schließlich um die Zukunft unserer Kinder – wir dürfen hier nicht ganze Generationen hinten runter fallen lassen. 

Digitalisierung betrifft aber auch den Bereich der Verwaltung auf allen Ebenen. Die Gründung des Digit und die letzte Woche beschlossene Einleitung einer umfassenden Verwaltungsreform, die auf Modernisierung, mehr Effizienz und eine Entschlackung setzt , waren zwingend notwendige Schritte. 

Kaum ein Prozess ist darüber hinaus wirklich digital im Bürgerservice. Wenn Bürger*innen sich durch eine in die Jahre gekommene Homepage wühlen müssen, um mehr oder weniger taugliche pdf Formulare zu finden – diese nach dem Ausfüllen dann ausdrucken und unterschreiben müssen , um sie sodann wieder einzuscannen und per Mail mit Anhang zu versenden – spätestens dann sollte man merken, dass wir noch auf dem Eselskarren durch die digitale Steinzeit reiten.   

Ob es uns passt oder nicht, wir brauchen nicht nur endlich eine bürgergerechte Verwaltung sondern werden auch die davon galoppierenden Personalkosten wieder in den Griff bekommen müssen. Roland Meder und sein Team stehen dabei vor einer gewaltigen Herausforderung, die unsere Unterstützung verdient.

Mit einiger Sorge betrachten wir hingegen die Entwicklungen im Baubereich. Wir verheddern uns inzwischen in einem dichten Geflecht aus Milieuschutzsatzungen, Gestaltungssatzungen, Veränderungssperren und Anpassungen von Bebauungsplänen, nur um ja auch den letzten Rest an privater Initiative im Keim zu ersticken. Der Baubürgermeister als Vollblutetatist scheint genau dieses Ziel zu verfolgen – er wird, überspitzt gesagt, nicht ruhen bevor nicht auch die letzten Bürger*innen demütig und mit gesenktem Kopf vor den Schreibtischen der Verwaltungbeamt*innen erscheinen müssen, um sich jegliche Veränderung – und sei es nur den Bau eines winzigen Fahrradschuppens – genehmigen zu lassen. 

Dazu passt auch, dass der von uns geforderte Neubau eines Eisstadions mit Hilfe privater Investoren mit aller Macht aus dem Dezernat V verhindert werden soll. Bezeichnend dabei ist, dass man sich im Hinterzimmer gerne mit den ach so bösen Investoren umgibt, wenn man deren Hilfe braucht, um z.B. Projekte wie den Green City Tower zu retten, aber dann nach außen hin nichts mit ihnen zu tun haben möchte. 

Wir warnen jedoch davor, den Eissport in Freiburg auf dem Altar der Staatsgläubigkeit zu opfern, nur um die eigene Sturheit zu verteidigen.

Nämliches gilt auch für andere Bereiche des Bauens. Ohne private Bauwirtschaft wird es keinen Stadtteil Dietenbach geben. Und mit großer Spannung erwarten wir die Vorschläge der Verwaltung, wie der Stadtteil angesichts wegbrechender Finanzen ausschließlich im Erbbau realisiert werden soll. Das halten wir weiterhin für genauso illusorisch wie wir den Umgang mit denjenigen Erbbaurechtsnehmern für falsch halten, denen gegebüber wir als Stadt im Wort standen, was ohne Not gebrochen wurde. Schön wäre es an der Stelle, wenn diejenigen, die sich sonst intensiv in Gentrifizierungssorgen ergehen, auch einmal einen Blick in die Mitte der Gesellschaft werfen würden, die sich vom Abstieg bedroht fühlt.

Projekte wie die Weiternutzung der alten Stadthalle, die Entscheidungen zum Umgang mit dem bald alten SC Stadion, die Sanierung des Lycée Turenne oder die kreative Umwidmung der Gaskugel dürfen darüber hinaus nicht mehr auf die lange Bank geschoben werden. Für solche Projekte hätten wir allerdings Reserven zurückhalten müssen.

Doch mitten in die Pandemie hinein, als schon mit erheblichen Einbußen gerechnet werden musste, hat der OB noch schnell für die FSB und die VAG zwei gigantische Ausgabenblöcke auf die Reise gebracht, um auf diese Weise die Prioritäten für den Haushalt in den nächsten Jahren zu zementieren, bevor der Gemeinderat überhaupt einen finanziellen Gesamtüberblick hatte. Während man das durchaus noch als geschickten Schachzug zugunsten bedeutsamer Themen ansehen mag, ist die darauf folgende faktische Verhängung einer Haushaltssperre unter Umgehung des Gemeinderats in unseren Augen inakzeptabel gewesen. So hatten Sie bereits beschlossene Projekte wie das Außenbecken Westbad oder den Colombipark bereits im März 2020 einkassiert bzw. gestoppt, aber erst im Dezember 2020 den Gemeinderat darüber unterrichtet. Das ist nicht in Ordnung. An der Stelle wäre es richtig gewesen, Herr Oberbürgermeister, von Anfang an Ross und Reiter zu benennen anstatt herumzulavieren.

An Grüne- ESFA und JUPI sei gesagt – ihr habt eure neue Mehrheit ausgespielt und werdet millionenschwere Mehrausgaben durchboxen. Maria Viethen hat klar zum Ausdruck gebracht: Klimaschutz ist uns wichtiger als Haushaltsstabilität. Auch der Rad- und Fußverkehr wird großzügig bedacht. Das sind ohne Zweifel alles Themen von großer Bedeutung. Aber es hätte auch den Mut zur Gegenfinanzierung gebraucht.

Zum guten demokratischen Recht, Mehrheiten zu schmieden und mit diesen auch ohne Rücksicht auf Verluste eigene Vorstellungen durchzusetzen, gehört dann aber auch die Pflicht, die Verantwortung dafür zu übernehmen und die Konsequenzen zu tragen. Und daran werden wir euch erinnern.   

Wenn in den nächsten Jahren Kultureinrichtungen schließen, Sportstätten und Vereine dicht machen oder soziale Dienstleistungen aufgegeben werden müssen, dann wird es nicht reichen, das allein auf Corona abzuschieben und sich hinter der Pandemie zu verstecken. Die seit Jahren vorhandenen strukturellen Probleme des Haushalts sind selbstgemacht und werden heute weiter verschärft. Anders als beispielsweise der Bund haben wir in Freiburg eben nicht für schlechte Zeiten vorgesorgt und uns Finanzpolster geschaffen. 

Stattdessen stand schon der Haushalt 2018/2019 ganz im Zeichen einer regelrechten Ausgabenorgie, welche die Spielräume weiter verengt hat. Die Verwaltung hat inzwischen dazugelernt, die Mehrheit des Gemeinderats leider nicht. 

Wir finanzieren inzwischen nicht mehr nur die Investitionen, sondern vielmehr den Konsum auf Pump – das sollte uns eigentlich allen zu denken geben – wahrscheinlich leider nur ein frommer Wunsch. Zum Glück aber gibt es ja noch das Regierungspräsidium, auf das wenigstens bislang Verlass ist als letzte Barriere am finanziellen Abgrund.

Unser Abstimmungsverhalten zum Haushalt wird schließlich wird von den Entscheidungen der nächsten Stunden abhängen und ist als Abwägung zwischen dem Bemühen der Verwaltung und dem Agieren des Gemeinderats zu verstehen.

Erlauben Sie mir, meine letzten Worte an einen besonderen Menschen hier im Raum zu richten, der seinen letzten Arbeitstag hat. Lieber Adrian Hurst, ihre großartige Leistung und unermüdliche Arbeit für diese Stadt über all die Jahre verdient unseren allergrößten Respekt und Anerkennung. Wir alle sind Ihnen zu großem Dank verpflichtet.

Damit schließe ich und danke für die Aufmerksamkeit.