Am 6.9.19 hat sich die Badische Zeitung in gleich drei Artikeln dem Thema Sicherheit gewidmet und dabei den Schwerpunkt auf die Perspektive der Polizei gerichtet (Polizei und Stadtverwaltung verschärfen Gangart, Interview Polizeipräsident, Kommentar) Es liegt dabei in der Natur der Sache, dass die Polizei zwar positive Entwicklungen bei der Kriminalitätsstatistik nicht verschweigt, gleichzeitig aber die Notwendigkeit von möglichst umfassenden Befugnissen und umfangreichen Aktionen betont. Die politische Betrachtung indes muss darüber hinausgehen.

Freiburg wird immer sicherer

Polizeipräsident Semling selbst verweist im Interview auf ein grundlegendes Dilemma. Während einerseits objektiv betrachtet die Kriminalität in Freiburg auf breiter Front messbar zurückgeht (s. dazu Kriminalstatistik der Polizei), wird andererseits das subjektive Sicherheitsempfinden, also die gefühlte Angst vor Kriminalität, als Richtgröße für die Notwendigkeit sicherheitspolitischen Handelns herangezogen. Im Gegensatz zur objektiven Kriminalitätsstatistik lässt sich aber das subjektive Sicherheitsgefühl kaum in Zahlen greifbar machen. Vielmehr scheint die Einschätzung über das subjektive Sicherheitsgefühl selbst sehr subjektiv zu sein und wird in der politischen Debatte oft zum Spielball für die Verfolgung politischer Ziele. Stets berichtet dann jemand von Personen, die sich in Freiburg unsicher fühlen und begründet damit mal schnell hohe oder gar wachsende Kriminalitätsfurcht. Aber überhaupt verlässliche Aussagen über das subjektive Sicherheitsgefühl zu treffen, ist allein deshalb schwer, weil es kaum Erhebungen gibt. Zudem ist zu unterscheiden in eine personale Furcht, also der Angst selbst Opfer von Kriminalität zu werden, sowie der eher abstrakten sozialen Furcht, also der Angst vor Kriminalität in der Gesellschaft an sich.

Auf 10-Jahrestief: Straftaten in Freiburg gehen weiter zurück
Quelle: Polizeiliche Kriminalstatistik 2018

In Freiburg gibt es dazu zwei grobe Indikatoren, die sich aus den letzten Bürgerumfragen ergeben. So haben 2016 lediglich 12 Prozent der Befragten die Sicherheitslage in ihrem direkten Umfeld mit unzufrieden (9%) und sehr unzufrieden (3%) bewertet ( S.51. Bürgerumfrage 2016) , was erfreulicherweise darauf hindeutet, dass die personale Kriminalitätsfurcht wenig ausgeprägt ist. 2018 hingegen rangierte der Wunsch nach Mehrausgaben im Bereich der öffentlichen Sicherheit immerhin auf Platz 5, wenngleich auch mit großem Abstand zum Thema Schulen, Kitas und Wohnungsbau (S. 21. Bürgerumfrage 2018). Hier zeigt sich also unabhängig von der Angst, selbst Opfer von Kriminalität zu werden, dass eine gewisse Notwendigkeit für mehr Engagement im Bereich der abstrakten sozialen Kriminalitätsfurcht gesehen wird.

Sicherheit und Freiheit im Gleichgewicht halten

Genau an dieser Stelle setzt jetzt die Verantwortung der Politik ein. Einerseits darf man die Sorgen und Ängste bezüglich sozialer Kriminalitätsfurcht nicht rundweg ignorieren, selbst wenn sie subjektiver Natur sind, aber andererseits sollte man tunlichst auch unterlassen, Ängste unnötig zu schüren. Gewisse politische Kräfte setzen in ihren Kampagnen darauf, die Angst vor Kriminalität in Wählerstimmen umzumünzen. Das sollte aber besonnene und moderate Kräfte nicht dazu verführen, ihrerseits das Thema höher zu hängen als nötig. Oftmals ertönt dabei der Ruf, dass die Parteien der Mitte sich nicht trauten, die Dinge beim Namen zu nennen und aus Gründen der political correctness verschwiegen, was wirklich geschieht. Einem solchen Vorwurf kann man nur mit Sachlichkeit und der nötigen Fähigkeit zur Differenzierung begegnen.

Die Bürger immer im Blick: Überwachung nur mit strengem Augenmaß einsetzen
Bild: Paweł Czerwiński

So ist es ohne weiteres möglich, Kriminalitätsschwerpunkte und Handlungsfelder zu identifizieren und anzugehen, aber gleichzeitig auch positive Entwicklungen zu betonen. Und das führt dann aus liberaler Sicht zu folgenden politischen Schlussfolgerungen für Freiburg: Unsere Stadt weist nach wie vor in Baden-Württemberg die höchste Kriminalitätsrate auf, weshalb es sicher keinen Grund gibt, sich zurückzulehnen. Gleichzeitig sinkt die Kriminalität in den allermeisten Bereichen in absoluten Zahlen stark und das sogar, obwohl die Bevölkerung gegenüber dem Zensus von 2011 um fast genau 20 000 Personen zugenommen hat (S. 17 statistisches Jahrbuch), was eigentlich eine Erhöhung hätte nach sich ziehen müssen. Das zeigt deutlich, dass die bisherigen Maßnahmen greifen, sich die Sicherheitslage nach einem Anstieg in 2015 und 2016 wieder deutlich entspannt hat und wir inzwischen deutlich unter dem Zehn-Jahres-Mittel liegen. Die personelle Aufstockung des Kommunalen Vollzugsdienstes haben wir in diesem Zusammenhang schweren Herzens noch mitgetragen, gleichzeitig erteilen wir jedoch weitergehenden Maßnahmen eine Absage, um die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit zu wahren.

Polizei und Bundespolitik sind ebenfalls gefordert

Man kann sich dabei durchaus Kriminalitätsschwerpunkten widmen, ohne zugleich übertrieben mit radikalen Methoden wie anlasslosen Überwachungen und Kontrollen zu agieren. Man kann der Polizei sicher keinen Vorwurf machen, dass sie beispielsweise auf dem Stühlinger Kirchplatz dabei auch Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz nachgeht. Denn hier ist die Bundespolitik gefordert, endlich über eine Legalisierung von Cannabis und die Einführung eines regulierten Handels wie in manch anderen Staaten, den Schwarzmarkt auszutrocknen und die Verfolgungsbehörden zu entlasten, was sich dann natürlich auch sofort in der Kriminalitätsstatistik widerspiegeln würde. Nämliches gilt für Themen wie Arbeitsverbote. Allerdings ist es auch an der Polizei, die Schwerpunkte bei den Ermittlungstätigkeit gezielt auf schwerwiegende Vergehen, beispielsweise im Bereich sexueller und anderer Gewalttaten, zu richten.

Soll künftig stärker im Fokus der Polizei stehen: der Stühlinger Kirchplatz
Foto: Andreas Schwarzkopf, CC BY-SA 4.0

Politik, Verwaltung und Polizei sind demnach gefordert, mit Augenmaß zu agieren. Denn einerseits gilt es, die Kriminalitätsrate weiter zu drücken. Doch andererseits darf das nicht zu Lasten der Freiheit gehen. Polizei und Verwaltung neigen dazu, dieses Spannungsfeld hin zu mehr Überwachung und Eingriffen aufzulösen. Die Politik muss dabei aber auch in besonderem Maße auf die Wahrung der Bürgerrechte achten und Einhalt gebieten, wo nötig. Freiburg hat viel dafür getan, die Sicherheitslage zu verbessern. Dazu gehört ohne Zweifel auch, sich Schwerpunktplätzen rund um die Innenstadt anzunehmen. Jetzt aber gilt es auch, die Entwicklung zu beobachten und wenn diese weiterhin erfreulich verläuft, die Aktivitäten eher wieder zurückzufahren als ohne Not weiter auszubauen.

Sascha Fiek, Fraktionsvorsitzender Freie Demokraten & Bürger* für Freiburg