von Sascha Fiek (Fraktionsvorsitz FDP&BFF)

Nicht zuletzt durch die Fridays for Future Bewegung ist die Notwendigkeit für Maßnahmen zu mehr Klimaschutz stärker im Bewusstsein der Bevölkerung verankert als je zuvor. Aber Anspruch und Wirklichkeit, zum Beispiel in Bezug auf notwendige Reformen beim Verkehr, klaffen noch weit auseinander. Manch politische Gruppierung gefällt sich darin, in Sonntagsreden über die Abschaffung des motorisierten Individualverkehrs zu reden, ohne dabei die Lebenswirklichkeiten vieler Bürgerinnen und Bürger zur Kenntnis zu nehmen. 

Freiburg braucht den Individualverkehr

Auch in der selbsternannten Ökohauptstadt Freiburg nimmt die Zahl der benzin- oder dieselbetriebenen Kraftfahrzeuge seit Jahren kontinuierlich zu. Bei rund 90.000 zugelassenen PKW bei 190.000 Personen im führerscheinfähigen Alter wird schnell klar, dass statistisch auf fast jede zweite Person in Freiburg ein zugelassenes Fahrzeug kommt. In Freiburg lässt sich nicht einmal ansatzweise eine Bewegung zu weniger Individualverkehr erkennen.

Der motorisierte Individualverkehr kann daher nicht einfach vor dem geistigen Auge verschwinden. Die Politik muss zum einen das Bedürfnis der Bevölkerung nach flexibler und individueller Mobilität anerkennen und zum anderen konkrete Schritt unternehmen, um diese in umweltverträgliche Bahnen zu lenken. Die Bereitschaft der Menschen, hier Veränderungen anzunehmen und umzusetzen, ist so hoch wie nie – eine Chance, die es zu nutzen gilt. Denn unter den PKW-Lenker*innen in Freiburg gibt es ohne Zweifel viele, die sich zwar zu mehr Klimaschutz bekennen, aber gleichzeitig merken, dass das eigene Verkehrsverhalten kaum mehr mit dem Wunsch nach umweltfreundlicher Mobilität in Einklang zu bringen ist.

Anreize schaffen ohne Mobilität einzuschränken

Ladesäulen sind in Freiburg noch Mangelware

Jetzt ist die Zeit, um konkrete Maßnahmen anzupacken. Wir können einen Anstoß zu einem vernünftigen Umgang mit dem Auto geben, ohne dabei die Notwendigkeit und den Wunsch nach individueller Mobilität zu ignorieren. Auch müssen wir in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass es manchmal nicht nur im Privatleben, sondern auch für in der Wirtschaft wichtige Gründe für die Nutzung eines Autos gibt. Handel, Handwerk, Gewerbe oder die Dienstleistungsbranche sind auf die Nutzung unterschiedlicher Arten von Kraftfahrzeugen angewiesen und benötigen oft auch explizit eine gute Erreichbarkeit der Innenstadt.

Der Umstieg auf emissionsarme bzw. lokal emissionsfreie Fahrzeuge, der Einstieg in eine echte sharing mobility, die Förderung des ÖPNV und bessere Bedingungen für den Radverkehr sind dabei das Gebot der Stunde.  Für Freiburg sehen wir daher folgende konkrete Ansatzpunkte: :

  • Kostenloses Parken für Fahrzeuge mit E-Kennzeichen in Freiburg. Zugleich eine moderate Erhöhung der Parkgebühren für alle anderen Fahrzeuge. Das wird den Anreiz vergrößern, bei der Neuanschaffung auf ein lokal emissionsfreies Fahrzeug zu setzen.
  • Eine erhebliche Ausweitung des carsharing Angebots. Durch ein größeres Angebot und mehr Möglichkeiten für Anbieter kann der der Besitz eines eigenen Autos für viele überflüssig gemacht werden. Dazu müssen alle carsharing Anbieter gleichberechtigt zugelassen werden. Auch sollen gegenüber dem stationsbasierten Modell auch Möglichkeiten für free floating geschaffen werden, bei dem die Fahrzeuge nicht an fixen Plätzen abgestellt werden müssen.
  • Die Schaffung von zusätzlich 100 öffentlichen E-Auto Ladepunkten bis 2023. Diese Ladepunkte müssen mit ausreichender Leistung, auch für künftige E-Auto-Modelle ausgestattet sein. Dazu ein kommunales Förderprogramm für Betriebe, die öffentliche Ladepunkte für Kundschaft und Belegschaft schaffen.
  • Eine Prüfung, ob und wie die Ausgabe von Anwohnendenparkberechtigungen reduziert werden kann. Beispielsweise könnten zurückgegebene Ausweise nicht eins zu eins ersetzt werden. Ziel soll dabei sein, bestehende öffentliche Parkflächen zurückzugewinnen 
  • Die Verlagerung von Parkraum an die Peripherie der Stadt. Dafür müssen neue Park&Ride Angebote, aber auch neuartige Park&Bike Konzepte geschaffen werden. Für Pendler*innen und Besucher*innen von außen brauchen wir neue Hubs, von denen aus sie bequem umsteigen können, entweder auf Bus oder Bahn, E-Bike, Lastenrad oder auch eine flächen- und ressourcenschonende Seilbahn. 
  • Eine Prüfung, ob bestehende Tiefgaragenflächen zu Radabstellplätzen umgewandelt werden können.
  • Mehr Parkraum in der Innenstadt für Carsharing und E-Kennzeichen vorbehalten.
  • Die Verringerung des Stellplatzschlüssels bei Neubauten auf 0,3.
  • Konkrete und messbare Zielvorgaben beim Individualverkehr. Nur so können wir verlässlich beobachten, ob die eingeleiteten Maßnahmen Erfolg haben.
Zu prüfen: können wir Tiefgaragen zu Fahrradgaragen umwidmen?

So können wir eine tatsächliche Wende beim Verkehr erreichen und gleichzeitig die individuellen Bedürfnisse berücksichtigen. Klar ist aber auch, dass eine Verkehrswende nicht zum Nulltarif zu haben sein wird. Es sind noch erhebliche Investitionen zu leisten, sowohl in den Ausbau der Infrastruktur, aber auch in die Anpassung an den Klimawandel. Daher gehört es zur Ehrlichkeit dazu, gemäß des Verursacherprinzips diejenigen stärker zu belasten, die ihr Verkehrsverhalten nicht anpassen. Auf Bundesebene ist dazu ein sehr zurückhaltender Einstieg in die CO2-Bepreisung beschlossen worden. Dieser Weg ist auch mit den Möglichkeiten vor Ort zu unterstützen und fortzuführen.