In seiner Rede zum Doppelhaushalt stellt Sascha Fiek klar: auch wenn der Haushalt ein Trippelschritt in die richtige Richtung ist, so finden sich die großen, strukturellen Probleme der Stadt ausserhalb des Haushaltes: die Beteiligungen und Eigenbetriebe der Stadt sind zur Dauerbelastung für den Haushalt geworden. Wo wir die Schwerpunkte sehen, die in der Freiburger Kommunalpolitik angegangen werden müssen, gibt es in der ganzen Rede zu lesen:
Verehrter Herr Oberbürgermeister,
verehrte Bürgermeisterriege,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
mit dem heute zu verabschiedenden Haushalt verhält es sich ein bisschen wie mit dem Kaninchen, das vor der Schlange sitzt. So wie das Kaninchen gelähmt und starr der drohenden Gefahr gegenübersteht, so regungslos und hilflos blicken Verwaltung und Gemeinderat auf globale Krisen, auf die Erlahmung der Wirtschaft, auf Fachkräftemangel oder auf die rasant steigenden Zinsen, die alles aus den Fugen geraten lassen.
Ein Großteil der Risiken und Herausforderungen kommt dabei von außen. Doch Handlungsspielräume, um darauf zu reagieren, haben wir uns in der Vergangenheit selbst durch Misswirtschaft und falsche politische Entscheidungen genommen.
Dabei verkommt der sogenannte Kernhaushalt schon fast zu einem Nebenkriegsschauplatz. Denn der Kernhaushalt ist längst entkernt. Wenn wir ihn heute beschließen, dann sind bedeutsame finanzpolitische Entscheidungen schon im Vorfeld getroffen worden, wenn wir an die städtischen Beteiligungen und Eigenbetriebe denken. Dort gibt es in Summe weit höhere Umsätze als im Kernhaushalt, dort werden mehr als doppelt so viele Investitionen getätigt wie im Kernhaushalt und dort finden sich grob viermal so viele Schulden wie im Kernhaushalt.
Die FSB, die VAG, die FWTM, sie alle erhalten auf der Intensivstation für defizitäre Unternehmen – unabhängig von den Haushaltsberatungen – die Finanztransfusionen, die sie benötigen, um nicht augenblicklich auszubluten und den sicheren Insolvenztod zu erleiden. Doch eine Heilung ist nicht in Sicht, denn von Tag zu Tag benötigen die Beteiligungen mehr Transfusionen. Kein Wunder also, dass der Haushalt so blutleer daherkommt.
Der OB vermag kein Wasser in Wein zu verwandeln; gleichwohl versucht er sich in dem Zusammenhang gerne an der dichterischen Umdeutung von Schulden in eine Art von Gewinn, wenn er z.B. das Bild von der Stärkung der FSB bemüht.
Aber, Herr Oberbürgermeister, einem Unternehmen politisch Defizite zu verordnen, um dann anschließend die selbst produzierten Löcher mit neuen Schulden aus dem städtischen Haushalt zu stopfen, ist keine wirtschaftliche Stärkung eines Unternehmens, sondern bestenfalls ein Taschenspielertrick. Adam Riese duldet keine Euphemismen und Finanzmathematik kennt keine Poesie. Da hilft es nicht, nur die Schaffung von Werten zu beschwören, aber gleichzeitig die permanent steigenden Betriebskosten zu verschweigen.
Nötig wäre es vielmehr, die strukturellen Probleme in den Beteiligungen anzugehen. Das FSB 2030 Programm gehört dazu auf den Prüfstand, um die FSB z.B. durch die Ausweitung des Bauträgergeschäfts wieder in die Lage zu versetzen, auf eigenen Füßen zu stehen. Die Tarifstruktur der VAG muss, so schwer es uns auch fällt, an die aktuellen Rahmenbedingungen angepasst werden. Auch in der FWTM ist es dringend an der Zeit, eine echte Aufgabenkritik der einzelnen Geschäftsbereiche vorzunehmen, anstatt sich mit sinnentleerten Zukunftsdialogen in inhaltsarme Strategiepapiere zu schleppen.
Doch so lange die Aufsichtsgremien der städtischen Beteiligungen noch mit politischen Vertretern ohne jeglichen wirtschaftlichen Sachverstand besetzt sind, die sich nur als politisches Sprachrohr verstehen, wird kaum eine Besserung eintreten. Daher gehört das ganze Beteiligungswesen auf den Prüfstand.
Das führt direkt zum Piwi Prozess und der Projektgruppe für Impuls und Wandel in der Verwaltung. PIWI sollte so eine Art Think Tank sein, losgelöst von den üblichen Verwaltungsprozessen und Gremienläufen und bereit, jeden Stein umzudrehen, um strukturelle Defizite zu beseitigen. Doch bevor auch nur ein Tropfen an Innovation auf fruchtbaren Boden fallen kann, verdampft er in der heißen Luft alltäglichen politischen Genörgels, den Beharrungskräften in der Verwaltung und der mangelnden Einsicht, das Ruder herumreißen zu müssen.
Übrig bleiben bislang nur kleine Trippelschritte, wie die Zusammenlegung von Stabsstellen beim Dezernat I, der Gründung des RSK oder die Neuordnung der Dezernatszuschnitte mit der Verschiebung von ALW & Co.. All diese Schritte waren und sind richtig, weil sie – wie von uns gewünscht – zu effizienteren Strukturen und kürzeren Entscheidungswegen führen. Sie können und dürfen aber nur der Anfang eines viel umfassenderen Prozesses sein. Denn Wandel und Innovation verdienen den Vorzug gegenüber politischer Sturheit und Trägheit.
Um es mit den Worten von Roman Herzog und seiner leider erschreckend aktuellen Ruckrede von 1997 zu sagen: “Uns fehlt der Schwung zur Erneuerung, die Bereitschaft, Risiken einzugehen, eingefahrene Wege zu verlassen, Neues zu wagen.”
Wir sind aktuell mit vielen Herausforderungen konfrontiert, für die es auch einen Ruck in Freiburg braucht:
genannt seien nur globale Krisen, die uns den Boden unter den Füßen wegziehen, ausufernde Staatsschulden, abrupt steigende Zinsen sowie weltweit um sich greifender Extremismus und Autoritarismus unterschiedlicher Ausprägung.
Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit kommen global betrachtet unter die Räder und einen Teil dieser Bewegung, die dafür verantwortlich ist, müssen wir auch in diesem Haus ertragen. Dieser Teil mag uns heute noch bedeutungslos erscheinen, aber wir müssen alle daran arbeiten, dass das auch morgen noch so bleibt.
Da hilft es jedoch nicht, eine politisch heile Welt vorzugaukeln. In Deutschland versuchen wir auf allen Ebenen, jedem Problem und jeder Krise ein Förderprogramm, eine gesetzliche Regelung oder irgendeine andere staatliche Lösung hinterherzuwerfen. Es soll suggeriert werden, wir könnten alles zum Nulltarif schaffen und ohne Anstrengung beiseite wischen. Das jedoch ist eine Illusion und verschleiert die Tatsache, dass nicht der Staat, sondern die Menschen selbst in Eigenverantwortung und Selbstbestimmung die Krisen bewältigen und wir alle einen Preis dafür bezahlen müssen. Frei nach Kant lässt sich für die heutige Politik formulieren: Die Unmündigkeit der Bürger ist staatsverschuldet.
Doch weder sozialistische Phantasien noch grüner Etatismus werden uns helfen, die Probleme zu bewältigen.
Und von denen gibt es reichlich.
Wir wollen die Klimakrise meistern, schaffen es aber nicht einmal, ein paar Windräder zu bauen; wir wollen die Verkehrswende meistern, bekommen aber nicht einmal hinreichend Ladestationen errichtet; wir wollen die Digitalisierung voranbringen, benötigen aber ein Jahrzehnt, nur um allein die Schulen mit dem nötigsten auszustatten. Dabei sei nicht vergessen zu erwähnen, dass gerade die beruflichen Schulen in einem zum Teil jämmerlichen baulichen Zustand sind und wir unabhängig von der Digitalisierung einen gigantischen Sanierungsrückstau haben. Diesen können wir nicht mehr ewig verdrängen.
Die Digitalisierung hat zugegebenermaßen schon einen hohen Stellenwert in unserer Stadt bekommen. Dennoch kommt sie nach unserer Einschätzung immer noch zu langsam voran, während der Rest der Welt gerade durch neue KI Tools revolutioniert wird. Vielleicht sollten wir in Freiburg einmal Chat GPT befragen, wie man einen digitalen Führerscheinantrag gestaltet oder gar einen Bauantrag auf digitalem Wege zur Entscheidungsreife bringt.
Und als ob die bürokratischen Hürden nicht schon hoch genug wären, kommt jetzt der Umstand hinzu, dass die Party des billigen Geldes vorbei ist. Wir haben zwar in den letzten Jahren günstige Kredite aufgenommen, die uns noch eine Weile über die Runden retten, aber jede neue Kreditaufnahme und jede Umschuldung werden schmerzhafte Löcher in das Finanzgefüge reißen.
Die Auswirkungen der steigenden Zinsen spüren wir schon heute in der Baubranche, die geradezu implodiert und die Bautätigkeit rasant schrumpfen lässt. Der Cocktail aus hohen Boden- und Baukosten in Verbindung mit steigenden Zinsen ist eine explosive Mischung. Verlässliche Kalkulationen und Angebote, aber auch Finanzierungen rücken dadurch oft in weite Ferne. Ohne entsprechende Gegenmaßnahmen werden wir mit einem regelrechten Bauexitus konfrontiert sein.
Wenn wir Dietenbach, Kleineschholz und andere Bauprojekte realisieren wollen, werden wir sehr schnell umdenken und flexibler werden müssen. Ein engstirniges Festhalten an Grundsätzen zum Erbbau, an strikten Bauvorgaben oder an starren Vermarktungskonzepten werden wir uns sicher nicht mehr leisten können. Und wir müssen auch endlich eingestehen, dass es sich angesichts zu erwartender Kostenmieten von über 20 Euro pro Quadratmeter beim Neubau nicht um die Art bezahlbaren Wohnraum handeln wird, die so oft ins Schaufenster gehängt wurde.
Last but not least müssen wir wieder zu einer gesellschaftlichen Balance in dieser Stadt zurückfinden, die durch politische Entscheidungen der letzten Jahre gefährdet wurde.
Wer z.B. ambitionierte Klimaschutzziele erreichen will, tut gut daran, die Menschen für einen gesamtgesellschaftlichen Kraftakt zu motivieren und zu begeistern und nicht, verschiedene Teile der Bevölkerung und deren Bedürfnisse gegeneinander auszuspielen. Wer beispielsweise Autofahrende pauschal als böse Klimasünder willkürlich zur Kasse bittet, verkennt deren legitime Bedürfnisse nach individueller Mobilität. Gemeinderat und Verwaltung sollten zudem klare Signale senden, dass die Aktionen der letzten Generation auf keinerlei Verständnis bei uns stoßen und dass Maßnahmen, die zur Spaltung der Gesellschaft beitragen, den Rückhalt für den Klimaschutzgedanken schwächen. Nicht nur in diesem Bereich müssen wir auch darauf achten, die finanziellen Lasten für die Krisenbewältigung gleichmäßig und gerecht zu verteilen und nicht nach Gutsherrenart politisch einseitig zu agieren.
Gleichwohl erkennen wir unter dem Strich auch an, dass die Verwaltungsspitze aus den Fehlern der Vergangenheit beim letzten Haushalt gelernt hat. Statt Volldampf gegen die Wand zu fahren, hat sie zumindest in den Leerlauf geschaltet. Sowohl bei der Personalplanung als auch der grundlegenden Bereitschaft zur Neustrukturierung und etwas umsichtigerer Investitionsvorhaben sehen wir zumindest gewisse Bemühungen, die in die richtige Richtung gehen, wenn auch nur in homöopathischen Dosen.
Wir wollen das Instrument der Ablehnung eines Haushalts nicht inflationär verwenden. Doch wenn wir daher heute trotz aller hier vorgebrachten Kritik dem Haushalt zustimmen, dann tun wir das leidenschaftslos und ohne Wohlwollen. Wir verbinden die Zustimmung mit der Mahnung, die strukturellen Probleme endlich anzupacken. Uns bleibt nur die Hoffnung, dass der nächste Gemeinderat es besser machen und neuen Schwung mit sich bringen wird.
Vielen Dank