1. Erhaltungssatzung Waldsee kritisch überprüft:
Die ursprüngliche Absicht der Erhaltungssatzung von 2019 war ehrenwert, doch ihre praktische Wirkung wurde kritisch evaluiert. Ergebnis: Die Satzung schützt kein echtes denkmalwürdiges Ensemble und führt zu Ungleichbehandlung im Vergleich zu ähnlichen Stadtteilen wie Mooswald.
2. Praktische Probleme überwiegen:
Die Satzung hat in der Umsetzung zu bürokratischem Aufwand, Unsicherheit und hohen Kosten geführt. Vor allem erschwert sie energetische Sanierungen und blockiert dringend benötigten Wohnraum – ein klarer Zielkonflikt zu Klimaschutz und Stadtentwicklung.
3. Forderung nach Aufhebung als Zeichen politischer Vernunft:
Die Aufhebung der Satzung wird als notwendige Korrektur verstanden – nicht gegen Baukultur, sondern für Zukunftsfähigkeit. Waldsee soll sich ökologisch weiterentwickeln und zur Lösung drängender Herausforderungen beitragen können.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen des Gemeinderats,
liebe Freiburgerinnen und Freiburger,
wir entscheiden heute über die städtebauliche Zukunft des Stadtteils Waldsee – und darüber, wie wir als Stadt mit gut gemeinten, aber in der Praxis hinderlichen Regelungen umgehen. Und ich möchte erneut für die Aufhebung der dortigen Erhaltungssatzung werben.
Lassen Sie mich eines vorwegschicken: Die ursprüngliche Absicht, die zur Einführung dieser Satzung im Jahr 2019 führte, war ehrenwert. Der Schutz der besonderen Identität eines Stadtteils ist ein wichtiges Anliegen – jedoch dreht sich die Erde täglich weiter. Politik muss nicht nur gute Absichten haben, sondern auch die praktischen Auswirkungen ihrer Entscheidungen überprüfen und den Mut haben, diese zu korrigieren.
Genau das haben wir getan. Der interfraktionelle Antrag vom Dezember 2024 war der Startpunkt für eine ehrliche Bestandsaufnahme. Wir wollten wissen: Was hat die Satzung in der Praxis bewirkt? Die Evaluation, die uns im April vorgestellt wurde, hat ein klares Bild gezeichnet.
Ein Blick in die Geschichte, den ich intern für mich angestoßen habe, zeigt: Waldsee ist kein denkmalrechtliches Ensemble. Der Blick auf eine Karte zur Bauzeit der Straßenzüge belegt es klar: Das Gebiet wurde über Jahrzehnte in unterschiedlichen Phasen entwickelt – von 1912 bis in die Nachkriegszeit. Von einem homogenen, schützenswerten Gesamtbild kann also kaum die Rede sein.
Und hier wird es besonders entlarvend, wenn wir den Vergleich ziehen, den die Satzung selbst nahelegt: den zum Stadtteil Mooswald. Unsere Recherche zeigt: Beide Stadtteile sind praktisch zeitgleich in den 1920er- und 1930er-Jahren entstanden – der eine liegt im Osten, der andere im Westen der Stadt. Der entscheidende Unterschied ist aber: Für Mooswald gibt es zum Glück keine Erhaltungssatzung!
Man muss sich also fragen: Warum diese Ungleichbehandlung? Warum wird in Waldsee mit der Begründung einer angestrebten „gutbürgerlichen Bauweise“ ein derart starres Korsett angelegt, während ein vergleichbarer, zur selben Zeit entstandener Stadtteil sich frei entwickeln darf? Diese Inkonsequenz ist nicht zu rechtfertigen.
„Dies ist eine Entscheidung für die Vernunft. Eine Entscheidung, die es den Menschen in Waldsee ermöglicht, ihre Häuser fit für die Zukunft zu machen, energetisch zu sanieren und Wohnraum zu schaffen.“
Zu dieser grundsätzlichen Schieflage kommen die massiven praktischen Probleme, die unsere Evaluation bestätigt hat und die ich hier noch einmal benennen möchte:
Erstens: Der bürokratische Aufwand für Bauherrinnen und Bauherren sowie für unsere eigene Verwaltung war und ist hoch. Anstatt klare Leitplanken zu bieten, hat die Satzung zu Unsicherheit und langen Verfahren geführt. Und beides kostet Geld!
Zweitens, und das wiegt besonders schwer: Wir haben massive Zielkonflikte festgestellt. In einer Zeit, in der der Klimaschutz oberste Priorität haben muss, hat diese Satzung energetische Sanierungen erschwert. Der Einbau von Solaranlagen, die Installation moderner Fenster oder die Anbringung von Wärmedämmung – allesamt essenzielle Bausteine für die Klimaneutralität – wurden durch die Satzung behindert. Das können und wollen wir uns nicht leisten.
Drittens: Freiburg braucht dringend Wohnraum. Die Satzung hat notwendige und sinnvolle Nachverdichtungen, Aufstockungen oder Umbauten blockiert. Potenzial für neuen Wohnraum blieb ungenutzt, weil die starren Regelungen einer zukunftsfähigen Entwicklung im Wege standen. Im Mooswald wurde durch die Nachverdichtung viel zusätzlicher Wohnraum geschaffen.
Meine Damen und Herren, die Erhaltungssatzung, die das städtebauliche Erbe schützen sollte, hat sich in der Realität als ein Hemmschuh für die wichtigsten Zukunftsaufgaben unserer Stadt erwiesen: Klimaschutz und die Schaffung von Wohnraum.
Die Konsequenz daraus kann nur die Aufhebung sein. Dies ist keine Entscheidung gegen Baukultur oder gegen den Charakter von Waldsee. Der Stadtteil ist durch das geltende Baurecht weiterhin gut geschützt.
Dies ist eine Entscheidung für die Vernunft. Eine Entscheidung, die es den Menschen in Waldsee ermöglicht, ihre Häuser fit für die Zukunft zu machen, energetisch zu sanieren und Wohnraum zu schaffen.
Die breite, interfraktionelle Unterstützung für die Aufhebung zeigt, dass wir aus der Praxis gelernt haben. Es ist ein Zeichen politischer Reife, eine getroffene Entscheidung zu überdenken und zu korrigieren, wenn sie sich als nicht zielführend erweist.
Lassen Sie uns heute den Weg freimachen für einen Stadtteil Waldsee, der sein Erbe in Ehren hält, sich aber gleichzeitig modernisieren, ökologisch verbessern und weiterentwickeln kann.
Vielen Dank.