Zusammenfassung:
- Das Bildungskonzept Weingarten ist gut gemeint – kritisch sehen wir jedoch, dass es eher punktuelle Symptome behandelt, anstatt strukturelle Defizite anzugehen.
- Der Fokus liegt auf Übergängen im Bildungssystem, was jedoch zu spät im Entwicklungsprozess ansetzt.
- Stattdessen sind frühe Bildung, der familiäre Kontext, strukturelle Problemlösungen sowie ein besseres Evaluierungssystem entscheidend für den Erfolg eines zukünftigen Bildungskonzepts in Weingarten.
Verehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Vorlage zum Bildungskonzept Weingarten ist zweifelsohne gut gemeint und verfolgt die besten Absichten. Unbestritten kämpfen auch wir in Freiburg mit Segregation in unterschiedlichen Dimensionen, der es zu begegnen gilt. Doch erlauben Sie mir nach den vielen lobenden Worten auch einige kritische Bemerkungen.
In unseren Augen dient das Konzept mehr einer punktuellen Symptombehandlung anstatt die vorhandenen strukturellen Defizite wirksam anzugehen.
Zunächst fokussiert das Konzept auf die Begleitung von Übergängen. Das ist zwar einerseits sinnvoll, kommt aber zu einem sehr späten Zeitpunkt in der kindlichen Bildungsentwicklung. Ich habe bei dem Konzept oft auch an unseren ehemaligen Kollegen Lothar Schuchmann gedacht, der hier im Gemeinderat nicht müde wurde, die Bedeutung der frühkindlichen Bildung zu betonen. Man denke nur daran, dass schon im zarten Alter von 4-6 Jahren in der Regel 90% des Spracherwerbs abgeschlossen sind. In den ersten Jahren der Entwicklung eines Kindes geschieht so viel, dass weit früher als erst beim Schulübergang angesetzt werden muss.
Der Schlüssel zum Erfolg liegt dabei in erster Linie in den Familien selbst und nicht so sehr in externer Begleitung. Nur wenn wir es schaffen, dass in den Familien Bildung an sich einen hohen Stellenwert genießt, nur wenn wir es schaffen, das soziale Aufstiegsversprechen einzulösen, gemäß dem die Kombination aus Motivation, Leistung und lebenslangem Lernen die Menschen zu persönlichen Erfolgen führt und nur wenn wir es schaffen, mit Durchmischung gesellschaftlichen Abspaltungstendenzen entgegenzuwirken, werden wir Fortschritte erzielen können.
Bislang gibt es keinen Beleg dafür, dass schon ergriffene Maßnahmen, wie beispielsweise in der Quartiersarbeit, messbare Erfolge in der sozialräumlichen Struktur erbringen.
Um uns hier im Haus zu beruhigen oder um uns selbst zu vergewissern, etwas getan zu haben, sprechen wir oft davon, dass sich all die Quartiersarbeit, die Sozialarbeit usw. bewähren, aber messbare Erfolge in der Bekämpfung der strukturellen Defizite sind immer noch nicht in Sicht.
Das soll nicht den Einsatz all derjenigen schmälern, die sich mit hohem persönlichen Engagement und Fleiß darum bemühen, wenigstens ein Tropfen auf dem heißen Stein zu sein. Und natürlich ist es besser, wenigstens vereinzelt Symptome zu lindern, als gar nichts zu tun. Gerade die im Konzept dargestellte Elternbegleitung aber auch die Peer-to-peer Begleitung haben durchaus Potenzial, das wir nutzen wollen. Deswegen werden wir dem Konzept heute auch zustimmen, was uns alle aber nicht davon entbindet, die Probleme mehr als bislang an der Wurzel zu packen.
Wir müssen im Rahmen der Evaluation dann auch besonderen Augenmerk darauf legen, welche Maßnahmen sich nachweislich und nicht nur gefühlt positiv auswirken, um wertvolle personelle und finanzielle Ressourcen zielgerichtet einzusetzen.